Als Natur deklariert, was vor allem Kultur ist   erste Seite

Die Philosophin Annegret Stopczyk-Pfundstein in der Volkshochschule zur Frage "Brauchen wir eine weibliche Ethik?"

Offenbach (siw) • "Weiblichkeit ist erlernbar." Dies jedenfalls meint die Philosophin Annegret Stopczyk-Pfundstein, die sich in ihrem Vortrag in den Räumen der Volkshochschule (Vhs) mit der Frage beschäftigte "Brauchen wir eine weibliche Ethik in Wirtschaft, Politik und öffentlichem Leben?"

Diskutierten den Vortrag der Philosophin Annegret Stopczyk-Pfundstein (von links) Stadtverordnetenvorsteher Manfred Wirsing, IHK-Hauptgeschäftsführerin Eva Dude, Moderatorin Ilona Hakert, Pfarrer Kurt Sohns sowie die Referentin.

Um es vorwegzunehmen: Die Philosophin ist der Meinung, dass der Gesellschaft ein weiblicher Blick auf die Dinge gut zu Gesicht stünde. Und dazu gehört eben auch eine weibliche Ethik.

Stopczyk, deren Ausstellung "Philosophinnen - Liebhaberinnen der Weisheit", die weltweit erste Schau über Philosophinnen von der Antike bis zur Moderne, noch bis 28. Januar in der Berliner Straße 77 zu sehen ist, setzt sich mit gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen auseinander: Was ist weiblich, was ist männlich? Am deutlichsten werde dies, wenn die Frage laute: "Was ist ein weiblicher Mann?"

Stopczyk verweist auf Simone de Beauvoir (,‚Man wird nicht als Frau geboren, man wird es") und die männlichen Philosophen, die wie etwa Aristoteles im Samen des Mannes die Vernunft angelegt sehen: Deswegen müsse die Frau auch vom männlichen Prinzip regiert werden.

In ihrer "Leibphilosophie" stellt sie dar, dass Zuschreibungen nach dem Motto "ejakulieren ist aktiv, schwanger sein passiv" zu Wesenbestimmungen werden. "Die Frau ist rund, weich, empfängnisbereit, immer offen." Die männlichen Philosophen hätten als Natur der Frau ausgemacht, was hauptsächlich Kultur sei.

In einer weiblichen Ethik, einer Summe der Lebenserfahrung als Frau, stelle die Rücksichtnahme einen hohen Wert dar. Stopczyk folgert, Frauen sei es möglich, vieles (auch nebeneinander) gelten zu lassen: "Mehr Demokratie bringt mehr Gewinn" und propagiert eine Führungsethik der Differenz. Das Verschiedene macht uns erfolgreich."

Den Vortrag aus ihrer Sicht kommentierten im Anschluss Stadtverordnetenvorsteher Manfred Wirsing, IHK-Hauptgeschäftsführerin Eva Dude und Pfarrer Kurt Sohns. Die Frauenbeauftragte Ilona Hakert moderierte. Sohns kritisierte seine katholische Kirche: "Es gibt zu allen wichtigen Fragen Stellungnahmen, aber Frauen haben kein Wort mitzureden." Eva Dude meinte, dass das Prinzip der Rücksichtnahme nur auf den ersten Blick im Gegensatz zu wirtschaftlichen Interessen stünde. Im mittelständischen Betrieb seien Werte wie Rücksichtnahme und Verantwortung durchaus überlebensfähig. Im übrigen seien moralische und ethische Werte für Männer und Frauen gleich, Frauen aber hätten eine besondere Begabung, "schaffen ein anderes Umfeld". Wirsing war skeptisch und dachte laut darüber nach: "Gibt es wirklich eine weibliche Ethik?" Zugleich aber war auch er der Meinung, "Frauen schaffen ein anderes Klima".